ID: 748002
Femme fatale in der Geschichte, 2
icon NSC
Stufe: 1
TP: 63
Aggresions Radius: 0m

Dialogs:

Femmes fatales in der Geschichte



Band 2, Porträt der zwei Schwestern

Bevor die Gnade der empyrianischen Gebieter Atreia berührt hatte, bevor die ersten Zivilisationen und ihre Nachkommen unser Land kultivierten, waren seine Bewohner so sehr viel anders. Unter ihnen gab es Bauern, Plünderer, Priester und Ungläubige ... und zwei ganz besondere junge Mädchen namens Svanhild und Yrsa.









Svanhild und Yrsa waren wunderschöne Zwillinge, die im Abstand von nur wenigen Minuten auf die Welt gekommen waren. Beide hatten sie dieselbe Porzellanhaut und tiefschwarzes Haar. Sie waren fast völlig identisch - bis auf ihre Augen. Svanhilds Augen waren saphirblau, während Yrsas Augen schon rubinrot leuchteten, bevor sie die Berührung des Zorns verspürt hatte.

Die beiden Mädchen waren auch in anderer Hinsicht gesegnet. Ihr Vater war ein Adelsherr; ein reicher Mann mit den Mitteln, seinen Töchtern die Kindheit von Prinzessinen schenken zu können ... was er auch tat.









Jedes Jahr beauftragte er an ihrem Geburtstag einen legendären Künstler, auf dass er seine beiden Töchter porträtiere. Er überhäufte sie mit prunkvollem Schmuck, ließ bei den besten Schneidern Pandämoniums die feinsten Kleider für sie anfertigen und füllte ein ganzes Zimmer mit wunderschönen Puppen, die sich anmutig zum Klang ihrer juwelenbesetzten Spieluhren drehten.

Und dann war da noch der Garten. Dieses kleine Paradies war vom Rest Atreias durch einen gigantischen Steinwall abgeschottet, der selbst wild tobende Windböen zu leise flüsternden Brisen zähmen konnte. Und im Schutze dieser Mauer spielten die beiden Töchter. Sie sangen und tanzten durch die blühenden Obstgärten, in denen sich die buntesten Vögel und Insekten dieser Zeit tummelten.

Sie hatten alles. Doch während die beiden Töchter vom Frühling zum Sommer ihres Lebens aufblühten, begann ihr Vater, den kalten und harten Griff des Winters seines Lebens zu verspüren ...







Eines Tages rief der Adelsherr, der nun ein alter Mann geworden war, seine beiden Töchter zu sich ans Bett.

Meine Kinder, begann er mit rauer Stimme und hechelndem Atem, "Meine Zeit ist fast gekommen. Das Schicksal lässt mir nicht mehr viel übrig. Doch ihr ... ihr seid meine Nachkommen. Ihr müsst weiterleben und den Pfad beschreiten, den ich für Euch vorgesehen habe."

Die beiden Kinder sahen ihren Vater mit weit aufgerissenen Augen entsetzt an. Sie kannten bisher nur die Schönheit Atreias, den Rest hatte ihr Vater mit dieser großen kalten Mauer, die ihren Garten umgab, vor ihnen verborgen.

Vater?, entfuhr es den Zwillingen zugleich, wie es so oft der Fall war. Der Adlige streckte ihnen seine zitternde, abgemagerte Hand entgegen, doch seine beiden Töchter wichen zurück.

Nach dem Tod ihres Vaters begannen die Töchter mit der Suche nach Elixieren, Tränken und geheimnisvollen Tinkturen, die ihnen das ewige Leben erschließen sollten. Sie betrachteten ihre alten Geburtstagsporträts und stellten dabei fest, dass ihre Gesichter, so schön sie auch waren, nicht bis in alle Ewigkeit so bleiben würden.

Ihre Diener und Mägde bereisten das ganze Land und kamen mit sündhaft teuren Gefäßen nutzloser Flüssigkeiten und Cremes zurück. Sie gaben dabei so viel Geld aus, dass ihre Schatzkammern sich immer weiter leerten. Und als diese Geldquelle ganz versiegt war, verkauften sie kurzerhand die Möbel, die ihr Vater hatte anfertigen lassen.

Trotz aller Anstrengungen alterten sie, und in ihrer Verzweiflung begannen sie mit der Suche nach einer radikaleren Lösung ...





Eines Tages verschwand ein junges Mädchen aus einem nahe gelegenen Dorf. Die verstörten Dorfbewohner wandten sich in ihrer Not an einen Herzog aus der Gegend. Dieser erklärte sich zu helfen bereit und entsandte einen Ermittler in das Dorf.

Der Ermittler durchsuchte das Dorf bis in den letzten Winkel, durchkämmte Wälder und Flüsse, Höhlen und Felder, doch er konnte nichts finden. Er besuchte sogar das Schloss von Yrsa und Svanhild, um die beiden zu befragen. Wenn seine Suche auch hier erfolglos blieb, fand er dort doch etwas anderes. Er verliebte sich in Svanhild und ihre leuchtend blauen Saphiraugen.

Er vergaß seine Ermittlungen und begann, ihr den Hof zu machen ... bis schließlich eines Tages das vermisste Mädchen gefunden wurde.





Sie war in einer weit entfernten Stadt gänzlich unversehrt aufgefunden worden. Doch in ihrem Inneren hatte sich etwas verändert - sie hatte die Lebenslust verloren, die alle Mädchen ihres Alters auszeichnet. Stattdessen war sie nun müde und ermattet, und erklärte dem Ermittler, dass sie keinerlei Absichten hegte, in ihr Dorf zurückzukehren. Bereits zwei Tage später starb das Mädchen, das gerade einmal elf Jahre alt war, eines natürlichen Todes. Tatsächlich jedoch war sie an Altersschwäche gestorben.

Trotz dieser merkwürdigen Tatsache traf der Ermittler Vorbereitungen, zum Sitz seines Herzogs zurückzukehren, da er die Untersuchung für abgeschlossen befand. Vor seiner Abreise wollte er sich jedoch noch von Svanhild verabschieden.

Als er beim Schloss der Zwillinge angekommen war, beschloss er, sich einfach selbst hereinzulassen. Als er jedoch die Tür öffnete, brach er sofort zusammen ...





Er wachte in einem finsteren und staubigen Kellergewölbe wieder auf. Schwaches Licht flackerte über ihm, und in der hintersten Ecke konnte er eine kleine, geschäftige Gestalt ausmachen.

Muss mich ... beeilen! Muss fertig werden! Der Ermittler richtete sich auf und blickte in Richtung der Gestalt.

Wer ... wer seid Ihr? Die Gestalt drehte sich um und sah ihn nun mit blutunterlaufenen, leeren Augen an. Er trat näher, bevor er vor Schreck zusammenzuckte.

Nein, kreischte die Gestalt. "Muss meine Aufgabe zu Ende bringen. Muss Seelen für die Seelenlosen sammeln. Die seelenlosen Zwillinge. Muss muss muss muss muss m..." Die Gestalt hielt inne, um zu horchen. Schritte näherten sich. Die Gestalt verschwand in der Dunkelheit. Der Ermittler, der nun um sein Leben fürchtete, sprang auf einen Karren und versteckte sich unter ein paar schweren Säcken.

Schon bald setzte etwas den Karren in Bewegung, und nur wenige Minuten später spürte der Ermittler die Wärme des Tageslichts auf seinem Gesicht. Kurze Zeit später wurde der Karren entladen, und die Säcke landeten - mitsamt dem Ermittler - in einem Graben. Er suchte sofort das Weite und lief entsetzt zum nahe gelegenen Dorf. Er hatte mit Grauen sehen müssen, was in jedem einzelnen der Säcke gewesen war: die Leichen junger Mädchen!





Eine Stunde später war das Schloss umstellt. Die von dem Ermittler angeführten Dorfbewohner kochten vor Wut und brachen das Haupttor auf. Sie durchsuchten flink jedes einzelne Zimmer, fanden statt der Zwillingsschwestern aber nichts weiter als Spinnweben und staubbedeckte Böden.

Es gab aber noch den Garten. Als sie vereint auf ihn zu marschierten, hörten sie aus seinen Tiefen eine bezaubernde Melodie erklingen ...







Die Zwillingsschwestern hatten sich tatsächlich in ihren einst prächtigen Garten zurückgezogen, doch statt ihrer ehemals anmutigen Schönheit waren sie nun durch ihre monströse Widerwärtigkeit gezeichnet. Ihr Haar war ergraut und zerzaust, ihre Gesichter waren fahl und ausgemergelt, und ihre einst so betörenden Augen waren nun schwarz wie die asmodische Nacht. Sie waren nichts weiter als verwesende Gerippe, die sich an das letzte bisschen Leben klammerten, das ihnen noch blieb.

Der Ermittler nahm seinen ganzen Mut zusammen und trat hervor. Just in diesem Augenblick stießen die Zwillingsschwestern vereint einen markerschütternden Schrei aus. Der Garten färbte sich blutrot, und die Dorfbewohner verloren das Bewusstsein ...

Als sie wieder erwachten, bot sich ihnen ein grauenvolles Schauspiel. Der Garten war welk und leblos. Überall gab es nun halb ausgehobene Gräber mit nur notdürftig vergrabenen Leichen. Der Ermittler war spurlos verschwunden ...







... an seiner Stelle stand nun der Mann, mit dem er vorher gesprochen hatte. Es handelte sich um Jerfinaer, einen der berühmtesten Alchemisten Atreias, der nun nichts weiter als das zittrige Wrack eines alten Mannes war. Er erzählte den Dorfbewohnern die Geschichte unter jämmerlichem Schluchzen und heftigen Ausbrüchen von Tränen der Reue.

Jerfinaer war vor vielen Jahren vom alten Lord angeheuert worden, ursprünglich um Spielzeug und Geräte zur Unterhaltung seiner beiden Töchter anzufertigen. Doch nach dem Tod ihres Vaters beauftragten die Schwestern Jerfinaer damit, ihre Jugend zu bewahren. Zunächst mischte er nur Cremes und Tinkturen, die die Alterung ihrer Gesichter aber nicht aufhalten konnten, sodass sie schon bald nach mehr verlangten. Viel mehr.





Durch Folter zwangen sie ihn dazu, eine neue, grausame Methode zu entwickeln: Der Alchemist sollte jungen Mädchen ihre Seelen rauben und den Geist der Schwestern mit ihnen erfüllen. Leider war die Technik alles andere als ausgereift, sodass viele Mädchen in seinen Experimenten ihr Leben lassen mussten.

Dennoch zwangen sie ihn, weiter an seiner Methode zu arbeiten, und Jerfinaer - der ihr Gefangener war - blieb keine andere Wahl, als ihrem Befehl Folge zu leisten. Ihr Hunger nach dem ewigen Leben hatte zum Tod so vieler Unschuldiger geführt. Die Zwillingsschwestern, die in ein adliges Leben geboren worden waren, in dem es ihnen an nichts gemangelt hatte, waren tiefer als niemand vor ihnen gesunken und hatten dabei so Vielen so viel genommen.

Das Ende.





(An der Stelle zwischen der letzten Seite und dem Buchrücken steht eine kleine Notiz.)

Interessant. Märchen oder Wahrheit? Das Schloss existiert nicht mehr, doch einst existierte es wirklich. Und die Gemälde?

Das muss untersucht werden.

C





Login to edit data on this page.
BBCode
HTML

Elyos
Asmodier